
Sedlmeir, machen Sie für Geld eigentlich alles?
Hmm, warum fragen Sie?
Weil Sie gewöhnlich nur in kleinen Alternativ-Kneipen und Mini-Klubs auf der Bühne stehen und in Ihrem Leben noch nie ein Fußballstadion betreten haben. Nun aber traten Sie am Samstag vor dem Spiel des 1.FC Saarbrücken gegen den Halleschen FC im Ludwigspark auf und sangen Ihren Song „Senioren gegen Faschismus“.
Sagen wir so: Man hat mir ein Angebot gemacht, das ich nicht ablehnen konnte.
Das heißt konkret?
Dass ich schon immer mal ein ganzes Stadion rocken wollte, darauf aber bislang verzichtet habe, weil der Sound dort so schlecht ist.
Hört, hört. Sie sind bislang nur einer eingeweihten Hörerschaft ein Begriff, verschmähen aber Stadien allein wegen des Klangs. Im Ludwigspark aber klingt es besser?
Ja, denn es war eine Vollplayback-Performance.
Da konnte ja nicht viel schiefgehen. Was unterscheidet den Auftritt in der Eckkneipe sonst noch von der Bühne am Anstoßkreis eines Profiklubs?
Die Dauer des Auftritts. In kleineren Locations spiele ich doch oft etwas länger als zwei Minuten. Und im Stadion war durch die Playback-Performance auch der technische Aufwand sehr überschaubar.
Jetzt mal im Ernst. Warum hat Sie der 1. FC Saarbrücken als Anheizer für das Match engagiert?
Der Verein positioniert sich mit seiner Aktion „Blau Schwarz ist Vielfalt“ seit einer Weile gegen Rechts. Und so konatktierte mich der Schatzmeister des FCS, ob ich nicht meinen Song vortragen wolle.
Mit FCS-Schatzmeister Dieter Weller haben Sie gemeinsam in einer Band gespielt. Kann der Mann was?
Das war Ende der Achtziger. Dieter Weller war ein Sänger mit dem gewissen Etwas. Die Band hieß Interpol, und der Sound lag irgendwo zwischen Roxy Music und The Cars. Heute ist der Mann in meinen Augen der Bryan Ferry des Fussballs.
„Manni Manta hat den Fehler gemacht, live zu singen.“
In Ihrem Song, den Sie vor dem Spiel sangen, heißt es „Senioren gegen Faschimus / Kennen das Problem / Den Scheißkapitalismus / Und die FDP“. Zeilen, die man in Zeiten des modernen Fußballs gewöhnlich nicht in einem Stadion eines ambitionierten Drittligisten erwartet. Hat sich vorher vom Verein mal jemand den Text durchgelesen?
Weller kannte ihn. Aber wir haben ihn einfach so lange für uns behalten, bis es zu spät war und ich schon mit dem Mikro am Anstoßkreis stand.
Bei 11.243 Zuschauern, die am Samstag im Ludwigsparkstadion waren, wird Ihre Botschaft nicht jedem gefallen haben. Oder wurde kollektiv mitgegröhlt, als Sie sangen: „Senioren aller Länder / Holt den Stinkfinger raus / Kein Bock mehr auf den Dreck / Das Braune da muss weg / Wir pfeifen auf die Rente / Und intonieren im Stehen / Im Zeichen der Hygiene: Senioren gegen Faschismus lösen das Problem“?
Kollektiv mitgegröhlt wurde nicht. Aber aus ein paar Ecken kamen erstaunlich textsichere Beiträge! Leider nicht ganz sauber intoniert an einigen Stellen…
Das Saarland ist ja tendenziell eher eine Hochburg der SPD, gab es dennoch auf den Rängen verwunderte Gesichter oder haben Ihnen Leute sogar den Vogel gezeigt?
Naja, sagen wir mal so: Es gab ein paar Menschen, die hatten durchgehend verwunderte Gesichter. Das lag aber weder an meinem Auftritt, noch an dem Spiel. Die sahen einfach so aus. Negative Reaktionen konnte ich in der Masse keine heraus erkennen.
Waren auch Fans von der „Saarlandbrigade“ vor Ort.
Ich selbst habe keine gesehen. Die standen wenn, dann im Block auf der anderen Seite des Stadions.
Die „Saarlandbrigade“ ist eine als rechtsoffen geltende Gruppierung von Fans des FCS.
Wir mussten entscheiden, in welche Richtung ich singe. In Richtung der Fernsehkameras schien uns am sinnvollsten, deswegen waren die, wenn sie denn da waren, von uns aus gesehen, sehr weit weg. Zum Glück.
Der Sänger Manni Manta, der im vergangenen Jahr im Ludwigspark auftrat, wurde beim Vortragen seines Party-Gassenhauers „Saarbrücken FCS“ gnadenlos ausgepfiffen. Fußballfans können grausam sein.
Soweit ich informiert bin, hatte er den Fehler gemacht, live zu singen. Dann ist man ohne In-Ear-Monitor manchmal mehrere Sekunden hinter der Musik. Das klingt dann oft gar nicht mal so gut. Ich hingegen konnte mich voll auf mein Lip-Sync konzentrieren, denn die es kam ja alles aus der Konserve.
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